Am 16. August des Jahres 1882 wurde das Viernheimer Krankenhaus „geboren“. Damals zogen die drei Niederbronner Schwesten Tharisis (Oberin) Sigismund und Sansia, von der Viernheimer Bevölkerung (4700 Einwohner) freudig begrüßt, in das Haus der Witwe Weyland, Seegartenstraße 4, ein, um sich in Viernheim der Krankenpflege zu widmen. Pfarrer Euler, der arbeitsame, umsichtige und fromme Priester im Weinberg des Herrn, dessen größte Sorge den armen, hilflosen Kranken galt, die oft bei mangelhafter Pflege und Verköstigung in dumpfen Zimmern leiden mußten, hatte das Haus auf eigene Kosten (7000 Mark) erworben, auch umgebaut – Gesamtkosten 11.000 Mark – und damit den Grundstock für das heutige, modern eingerichtete katholische St. Josefs-Krankenhaus gelegt. Die Kosten der ersten Einrichtung (1.750 Mark) für die zwei Krankenzimmer mit 4 Betten, das Sprechzimmer, Betzimmer, Eßzimmer und die Küche, alles kleinen Räume, wurde durch Stiftungen aufgebracht. Der Unterhalt der Schwestern wurde durch Almosen, einen Jahresbeitrag der Gemeinde (400 Mark) und eine jährliche Kollekte (rund 500 Mark) bestritten.

Aus Gemeindeprotokollen ist zu entnehmen, daß die Verhandlungen über die Niederlassung schon weiter zurücklagen. Das Protokoll vom 10.12.1879 weist den Beschluß aus, wonach das Institut der Krankenschwestern versuchsweise eingeführt, aber keine Räume im alten Schulhaus (Mannheimer Straße) zur Verfügung gestellt werden sollen. Die Krankenzimmer wollte die Gemeinde auf ihr Kosten beschaffen. Gemeinderat Renz hatte in der Sitzung zwar nichts gegen die Niederlassung, wohl aber gegen die Übernahme „derartige Kosten“ durch die Gemeinde etwas einzuwenden.

Bistumsverweser Dr. Maufang weiht im August 1884 die erste Kapelle ein, in die drei Jahre später Bischof Dr. Leopold Haffner das Allerheiligste übertrug. Noch während seiner langjährigen Krankheit vermachte der 1887 verstorbene Pfarrer Euler, der übrigens auch die Englischen Fräulein nach Viernheim gebracht hatte und als Mitbegründer des Kreditverein (Vereinsbank) gilt, den Schwestern sein ganzes Mobiliar, stellte für die Erweiterung der Kapelle 300 Mark bereit und richtete eine Stiftung ein, die der Station jährlich 220 Mark Zinsen einbrachte. Auch sein Nachfolger, Pfarrer Molitor, erwies sich stets als treuer Berater und Wohltäter des Hauses. Aus eigener Tasche erwarb vom Gemeinderat Haas, Schlossermeister Lamberth und Tünchermeister Stumpf für 2500 angrenzendes Gelände, das durch Schenkungen seitens der Gemeinde und der Familie Ehatt noch aufgestockt wurde. So konnte 1898 mit der Einrichtung des Hospital-Neubau begonnen werden, der im Herbst 1900 übergeben wurde. Erste Kranke im neuen Haus war Frau „Schindelmacher Hoock“. Mittlerweile waren sieben Ordensschwestern tätig, und die Bettenzahl belief sich auf 34. In den kommenden Jahren wurden neben den Kranken durchschnittlich 10 bis 20 Waisenkinder und solche Kinder betreut, deren Eltern es an der entsprechenden Erziehung mangeln ließen. Eines dieser Waisenkinder war die bis zum Tode im Krankenhaus wirkende Frau Kiß, „Küchenmarie“ genannt.

Nach dem Tode Pfarrer Molitors (1904) übernahm Pfarrer Franz Wolf in gleich umsichtiger Weise die Betreuung des Hauses. Im Jahre 1907 bestanden die im Neubau erstellten Isolierräume bei einer Blattern-Epidemie ihre Feuerprobe. Von den acht Blatternkranken starben damals zwei. Als großer Fortschritt wurde die 1908 eingerichtete Gasbeleuchtung empfunden, eine Frucht des 1907 eröffneten Viernheimer Gaswerkes. Als besonderen Ehrentag verzeichnet die Chronik den 28. März 1909; damals feierte der Primiziant Peter Helmig, als Pfarrer in Offenbach versorben, Sohn einer Nachbarfamilie, in der mit einem Kostenaufwand von 2000 Mark erbauten neuen Kapelle sein erstes heiliges Meßopfer. Die Planung für die neue Hatte ein Nachbar, Architekt Michael Kühlwein, besorgt. Bemekungswert war die Stiftung von Franz Weinlein, der 13 Jahre lang als Gärtner tätig war und für die Kapelle 400 Mark spendete.

Nachdem die 10. Schwester eingetroffen war, nahm Dr. Günther als Nachfolger des früheren einzigen Viernheimer Arztes, Dr. Seriba – dieser hatte mit Dr. Rudershausen zusammengearbeitet – die erste Operation vor. Im Jahre1912 pflegten 11 Schwestern 104 Kranke, abgesehen von der ambulanten Krankenpflege, die von der Bevölkerung zu allen Zeiten als großer Segen empfunden wurde.

STETE MODERNISIERUNG/VIER GROßENEUBAUTEN

Röntgenapparate, Höhensonnen, elektrisches Licht, verbesserter Operationssaal, Zentralheizung, Diathermie bekundeten Fortschritt zwischen 1925 und 1930. Auf 57.000 Mark kam der Neubau unmittelbar an der Seegartenstraße (1934), dem das alte Häuschen weichen mußte. Inzwischen war die 15. Schwester eingetroffen. Ein Kurzwelle-Apparat (1939), eine Kühlanlage (1946), eine Entbindungsstation (1952), der Ausbau der Röntgenanlage, die Einstellung einer Laborantin und einer Röntgenschwester (1953), Personen- und Speiseaufzug (1954) und ein zweiter Operationssaal (septisch/aseptisch) bezeugen die bedürfnisgerechte weitere Modernisierung. Die Erhöhung der Bettenzahl von 70 auf 90 brachte der Bau eines Seitenflügels im Gartengelände, zu dessen Baukosten (250.000 Mark) das Land 57.000 Mark, der Kreis 30.000 Mark und die Stadt 15.000 Mark beisteuerten. Im Erdgeschoß waren zwei neue, größere und neuzeitlich ausgestattete Operationsräume mit Klima- und Entlüftung entstanden. Neben 15 Ordensschwestern wirkten jetzt sieben freie Schwestern und 12 Angestellte. - Am 01. Juni 1960 hatte der Gesamtstiftungsrat die ausschließliche Betreuung durch Fachärzte beschlossen.

Auf 106 Betten erhöhte sich die Kapazität nach Eröffnung des städtischen Altenheimes (1963). In den seitherigen Altersheim-Räumen des Hauses konnten für 15 Männer weitere Betten aufgestellt werden. Das neue, vierstöckige Schwesternwohnheim (1968) brachte auch eine großräumige, neuzeitliche Zentralküche. Die 1,23 Millionen Mark hohen Baukosten teilten sich die Kirche, das Land Hessen (587.000 Mark), der Kreis (236.000 Mark) und die Stadt Viernheim (50.000 Mark). Hinzu kam ein Landesdarlehen von 22.000 Mark. An den laufenden Kosten beteiligt sich die Stadt zur Zeit mit jährlich 40.000 Mark: 1963 waren es 13.200, ab 1964 20.000 und ab 1968 22.000 Mark gewesen. Obwohl die Stadt zusätzlich einmalige Zuwendungen leistete, lassen die Beiträge erkennen, daß der Stadtsäckel durch die Existenz des kirchlichen Krankenhauses erheblich entlastet wurde, nicht zuletzt dank des großen, teils um Gotteslohn geleisteten Arbeitspensums der Ordensschwestern.

Mit der räumlichen Ausweitung paarte sich die Modernisierung der medizinischen Ausstattung. Allein 1974/75 wurden Geräte und Einrichtungen für 300.000 Mark angeschafft: Verbesserung der Röntgenstation (103.000 Mark), Sterilisator (55.000 Mark), Insulfationsgerät (5.000 Mark), Flammenphotometer zur Bestimmung der Elektrolyte (9.000 Mark), Elektrocardiograph (30.000 Mark), Monitor (17.000 Mark), Cardiotocograph (17.000 Mark), Coagumeter (2.000 Mark, Ergometer (2.300 Mark).

Im Vergleich zu anderen Häusern ist der Pflegesatz außerordentlich niedrig: Allgemeiner Satz: 75,30 DM, Zweibettzimmer: 94,13 DM, Einbettzimmer: 101,66 DM, Neugeborene: 18,83 DM (zum 01.01.1976). Die „Allgemeinen“ Sätze stehen in den städtischen Krankenhäusern von Darmstadt, Frankfurt und Mannheim auf 204,70/202,50/208,06 DM, in der Frankfurter Universitätsklinik auf 217,57 DM. Dabei erhält das Krankenhaus außer den 40.000 DM von der Stadt Viernheim (1976: 60.000 DM) aufgrund des Krankenhausfinanzierungsgesetz nur einen pauschalen Landeszuschuß, der in den letzten Jahren im Schnitt 130.000Mark betrug. Im Zusammenhang mit der Krankenhausbedarfsplanung des Landes Hessen stand dieAnerkennung der Viernheimer Krankenanstalt als Haus der Grundversorgung zeitweilig in Frage. Mit Nachdruck unterstützte die Stadt diesbezügliche Eingabe beim hessischen Sozialministerium , das diese Anerkennung mit Disziplinen der Chirurgie, der Inneren Medizin sowie Frauenkrankheiten und Geburtshilfe im Oktober 1975 aussprach, und zwar mit der Abteilung in 94 Akut- und 12 Nachsorgebetten.

Leitender Arzt ist zur Zeit Dr. Dürr. Dazu kommen weitere Belegärzte – Dr. Grießhaber, Dr. Klotz, Dr. Kupper, Dr. Watanpour – drei Assistenzärzte, zwei medizinisch/teschnische Assistentinnen, drei Laborantinnen, vier OP-Schwestern, drei Röntgenhelferinnen.

Im Pflegebereich wirken 13 Ordensschwestern und 11 weltliche Schwestern, 11 Krankenpfleger-Helferinnen und eine Wochenpflegerin. In die Verwaltung teilen sich vier Bedienstete, darunter seit 1973, ein Krankenhausverwalter. Im wirtschaftlichen Bereich sind 18 Hausgehilfinnen, 10 Küchenhilfen und ein Hausmeister tätig. Eigentümer des Krankenhauses sind sie Pfarreien St. Aposteln (3/5) uns St. Marien. Stimmberechtigte Mitglieder im Krankenhauskuratorium sind Pfarrer Darmstadt und Sturm, Dr. Dürr, die Kirchenstiftungsräte Dr. Böhm, Adam Schneider, Emil Hanf, Günter Neudörfer sowie Schwester Oberin Ernalda. Als Berater fungierte Bürgermeister Erwin Bugert, Bürgermeister a.D. Hans Mandel, Architekt Hans Winkenbach, Pater Hermle als Krankenhaus-Seelsorger und Verwaltungsleiter Reinhold Linn.

Für das Jahr 1975 wurden bei 2085 Patienten 34.866 Pflegetage registriert. Die Ambulanz verzeichnete 9.860 Fälle und die Wochenstation 213 Geburten. Die Zahl der Operationen belief sich auf 768. Schwester Paterna – Anna Heß aus Wurmlingen bei Tübingen – betreute im Jahr 1975 bei 3.575 Hausbesuchen 53 kranke ältere Menschen. Seit 1942 übt sie diesen Krankendienst aus. Für ihren unermüdlichen Einsatz bei Wind und Wetter wurde sie 1971 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.