Die Lebensverhältnisse der Viernheimer Juden




Erst seit 1808 mußten sich in Hessen die Juden Familiennamen zulegen.


Da die Juden in alten Zeiten kein Handwerk betreiben durften, waren sie auf die Landwirtschaft und den Handel mit Landesprodukten angewiesen. Für die Zeit ab 1700 sind viele Nachweise hierüber in den Akten. Hier einige Auszüge:


1711 lieferte der „Moses Judt“ einen eisernen Ofen fürs Rathaus.


Der „Hirsch Judt“ lieferte Eisen an die Gemeinde, der „Sander Judt“ „eine Todeslade“.




1713 wird verordnet, daß die Juden „nicht nächtlicher Weis“ schlachten dürfen. Das Vieh mußte nach der Schlachtung am Tage besehen werden.


1714 forderte der „Sander Judt“ sein Geld vom Schultheißen für geliefertes Fleisch und den Preis für 1000 Lattnägel.


1717 wollte der Sohn David des „Sander Judt“ heiraten. Die Genehmigung wurde erteilt unter der Bedingung, daß der Sohn im Hause des Vaters bleibe und keine Wohnung beanspruche.


1720 steht in den Mannheimer Ratsprotokollen „der Mosche Ferner“ als Metzger. Er zog nach Mannheim, denn in Viernheim waren 5 Judenmetzger und nur zwei christliche.


1722 betätigte sich der „Hirsch Judt“ als Salzverwieger. Er wurde von dem Schultheißen angezeigt, weil er mit zerrissenen im Salzkasten mit der Wurfschaufel geschippt hat.


1723 haben verschiedene Juden ihr Vergütung für französische Frondfuhren erhalten.


1730 hatte der „Hirsch Judt“ auch einen Kramladen. Er lieferte an die Gemeinde Eisen, Baumöl (für die öffentlichen 2 Uhren) und Pulver und Böller.


1737 lieferte David Sander Pulver, Baumöl, Lichter und Nägel an die Gemeinde.


1759 sind als Viehhändler verzeichnet: Sander, Amschel; Löb und Raphael. Amschel geht auch haussieren mit Kramwaren.


1770 Jud Lazar fordert aus dem Nachlaß Schmitt 57 Gulden für ein Pferd, ein Hochzeitskleid und Korn.


1774 Die „Bäßle“ Sternheimer betreibt ein regen Viehhandel und einen Kramladen. Ihr Ehemann Moses war in Ruchheim Schloßgutverwalter und stürzte 1804 auf der Rheinbrücke vom Pferd. Er wurde in Mannheim begraben. (Die „Bäßle“ kaufte einmal einen Acker für 700 Gulden).


1813 lieferte Calmann Stern als Fourage für die Truppen 11.940 Laib Brot.


Hier darf das Toleranzediket des Mainzer Kurfürsten vom 27.09.1784 eingefügt werden: „Wenn die Juden keine eigenen Schulen einrichten können oder wollen sollen die Judenkinder die Christenschule besuchen. An Schulgeld sollen sie nicht mehr bezahlen als die Christen. Die Juden sollen nicht mit Verachtung behandelt werden, sondern liebreich. Keinesfalls ist der Gewissensfreiheit Zwang anzulegen“. Damit war auch die Gewerbefreiheit und die Niederlassungsfreiheit in der Kurmainz geduldet. Aber vor dieser Toleranz ging es den Juden einige Zeit lang schlecht. Dies besagt ein Situationsbericht des Schuldheißen Winkler von 1770 (Konzept ohne Datum bei den Akten) an die Mainzer Regierung: „Die Judenschul befindet sich in des Judas Raphaels Behausung und wird von den Juden gemeinschaftlich unterhalten. Dieselbe hat sich zur Fortführung derselben einen Judenschulmeister angestellt, welcher zugleich die Kinder der jüdischen Lehr unterrichtet, sie wird durch gemeinsamen Beitrag unterhalten.


Der Judenschulmeister ernährt sich durch Schächten des Viehs. Die Verbesserung der jüdisch Lehr Einrichtung ist zu Viernheim schwer, indem die sechs schutzsässigen Juden dahier sehr verarmt und zur Leistung eines größeren Beitrag unvermögend sind“.